Zwei Lampertheimerinnen haben die Rückkehr ins Berufsleben geschafft

Projekt für Langzeitarbeitslose qualifiziert für die Betreuung

Berichterstattung des Südhessen Morgens vom 12.01.2011

Lampertheim. Sie haben einen komplett neuen Weg eingeschlagen – und
keinen Tag davon bereut. Zwei patente Frauen aus Lampertheim betreuen
seit einigen Jahren alte und demente Menschen. Der Eigenbetrieb “Neue
Wege” und die Caritas haben ihnen und zahlreichen anderen arbeitslosen
Frauen den Wiedereinstieg in die Berufswelt ermöglicht. Und beide
Lampertheimerinnen sind sich einig: Das war die richtige Entscheidung.

Ihren Namen wollen beide Frauen nur ungern in der Zeitung
veröffentlicht wissen. Allerdings erzählen sie umso lieber von ihrem
neuen Beruf, indem sie sich so wohl fühlen. Die zierliche 53-Jährige,
die seit zwei Jahren fest im Bürstädter Altenheim St. Elisabeth
arbeitet, hilft einem bettlägerigen Herrn gerade beim Frühstück. “Ich
bin gleich wieder da, dann geht’s weiter”, sagt sie, stellt
Joghurt-Becher und Löffel beiseite und streicht ihrem Gegenüber nochmal
über die Wange.

“Ich arbeite gerne hier”, stellt sie fest. Für die sie war die
Qualifizierungsmaßnahme ein echter Segen. “Dabei habe ich ursprünglich
etwas ganz anderes gelernt”, berichtet sie. Als Bürokauffrau hat sie
lange Jahre gearbeitet, dann kamen Inhaberwechsel und eine langwierige
Verletzung dazwischen. Mit dem Wiedereinstieg in ihren eigentlichen
Beruf hat es dann einfach nicht mehr hingehauen. “Dafür bin ich
inzwischen zu alt”, ist sie sich sicher.

Lob fürs Job-Center

Erste Erfahrungen im Bereich Familienbetreuung hat sie bei der Wormser
Sozialstation gemacht. Als ihr das Bürstädter Job-Center dann
vorschlug, die Maßnahme im Bereich der Altenpflege mitzumachen, hat sie
sofort zugegriffen. “Ich konnte zwischen verschiedenen Angeboten
wählen”, blickt sie zurück. Pflege und Hauswirtschaft standen noch zur
Wahl. Heute ist sie immer noch sicher, sich für das Richtige
entschieden zu haben.

Ein großes Lob spricht sie den Mitarbeitern des Bürstädter Job-Centers
aus, die ihr gleich beim ersten Gespräch mehrere Vorschläge gemacht
haben. “Man wird nicht nur verwaltet, sondern wirklich wahrgenommen”,
sagt sie heute. Auch wenn sie die Situation damals als nicht sehr
angenehm empfand: Keine schöne Sache, sich dort als arbeitslos
vorstellen zu müssen.

Zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass sie die Qualifizierung
angefangen hat. Sechs Monate lang hat sie in St. Elisabeth Theorie und
Praxis gelernt – und gleich noch einen Zusatzabschluss zur
Betreuungsassistentin geschafft. Fast nahtlos folgte die
Festanstellung. Jetzt kümmert sie sich an zwölf Tagen hintereinander
für genau 3,25 Stunden um die Bewohner von St. Elisabeth, die ihre
Unterstützung und Förderung nötig haben. Ein freies Wochenende gibt es
nur alle 14 Tage.

Eine Zeitlang war sie vor allem abends im Einsatz, zur gemeinsamen
Essensrunde. Wer fit genug ist , kommt zum Abendessen an den Tisch. “So
viel wie möglich eigenständig erledigen”, lautet die Devise. Selbst
sein Brot schmieren und sich zwischen Wurst und Käse entscheiden, ist
für viele eine echt Herausforderung. Vorher sitzt man schon zusammen,
und es wird gemalt, gesungen und vorgelesen. Zurzeit wird die
53-Jährige vor allem vormittags gebraucht, erzählt, spielt und singt
mit ihren Senioren. “Alte Lieder und alte Schlager, damit erreicht man
viele Leute.”

Ganz nach den Fähigkeiten der 16 Senioren, die sie betreut, richten
sich auch die Aufgaben der noch so jugendlich wirkenden
Mittvierzigerin, die seit einem Jahr im Heppenheimer Haus Johannes als
Alltagsbetreuerin arbeitet. Auch sie hat ihre Qualifizierung in St.
Elisabeth abgelegt. Für die 168 Theoriestunden musste sie allerdings
zwischen dem Bürstädter Altenheim und dem Bensheimer Bonhoeffer-Haus
pendeln.

Danach hat sie ziemlich schnell die feste Anstellung im Haus Johannes
gefunden – und ist sehr froh darüber. “Die Arbeit hier gibt einem sehr
viel zurück”, strahlt sie. Viele “ihrer” Senioren behandeln sie wie ein
Familienmitglied, oft wird sie mit den Worten begrüßt: “Na, wo kommst
du denn jetzt wieder her?” Und diese enge Beziehung zu den Menschen
gefällt ihr sehr gut. “Man muss flexibel sein, planen bringt nicht sehr
viel”, lacht sie. 16 Bewohnern ist sie zugeteilt, da hat jeder so seine
Wünsche: auf den Friedhof gehen, Karten spielen, vorlesen, die Hand
halten, einfach nur den Augenkontakt suchen. So mancher braucht eine
Extraportion Trost, weil er eine traurige Phase durchlebt. Dazu kommt
viel Gruppenarbeit und natürlich die Vorbereitung für die
jahreszeitlichen Feste, in die die Alltagsbetreuerinnen im Haus
Johannes eingebunden sind.

Lange Zeit hat die Lampertheimerin ihre Schwiegereltern gepflegt. In
ihren alten Job zurückkehren, das hat nicht hingehauen. “Als der
Vorschlag kam, die Qualifizierung zu machen, habe ich sofort gedacht:
Das ist etwas für mich.” Bereut hat sie die Entscheidung keinen Tag.

Der Blick auf Ältere, Jugend und Kinder

Berichterstattung des Bergsträßer Anzeigers vom 07.01.2011

Als Erfolg bewerteten Thomas Metz und Rainer Burelbach die Einstiegsoffensive von “Neue Wege”, in deren Rahmen Arbeitslose direkte Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Arbeitgeber erhalten. Nahmen ein solches Angebot in 2009 insgesamt 1030 Personen wahr, waren es 2010 bereits eineinhalbmal so viele.

Schaut man genauer auf die Zahl der jüngeren und älteren Menschen im Arbeitsmarkt, ergibt sich ein differenziertes Bild. Waren im Kreis Ende 2009 noch 233 Personen unter 25 Jahren arbeitslos, verringerte sich diese Zahl bis in den Dezember 2010 auf 133 Personen, zeigte sich Rainer Burelbach sichtlich erfreut über diese Entwicklung. “Es ist eine Riesenleistung, dass wir die Zahlen auf dieses Niveau gebracht haben.” Die Jugendarbeitslosigkeit werde als gesellschaftliches Problem aber zunehmend weniger relevant, glaubt der Betriebsleiter, da der Arbeitsmarkt für junge Menschen derzeit sehr aufnahmefähig sei.

Bei Älteren jenseits der 50 Jahre ergibt sich hier ein etwas getrübteres Bild. “Da sind wir noch nicht da, wo wir sein müssen”, betonte Metz, dass 2010 immerhin 154 Menschen aus dieser Altersgruppe in Arbeit vermittelt werden konnten, 430 in Aktivierungsmaßnahmen.

Mit Spannung blicken die Mitarbeiter von “Neue Wege” derzeit nach Berlin, wo in diesen Tagen politisch um die konkrete Ausgestaltung des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets gerungen wird.

Damit sollen vor allem Kinder aufgrund der Armut der Eltern nicht mehr vom soziokulturellen Leben ausgeschlossen werden.

Rainer Burelbach hält das prinzipiell für einen richtigen Ansatz: dass Kindern bedürftiger Eltern der Schulausflug bezahlt wird, Kosten für Lernförderung und Nachhilfe übernommen werden und sie sich in einem Sport- oder Musikverein einbringen können. “Wir hoffen, dass die Abwicklung nicht zu bürokratisch gestaltet wird”, betonte Metz, der sich dankbar zeigte, dass die Bundesregierung “ausnahmsweise” auch daran gedacht habe, die erforderlichen Mittel für die Abwicklung dieser Maßnahme, also beispielsweise sogenannte Bildungsgutscheine, den umsetzenden politischen Ebenen zur Verfügung zu stellen. “Neue Wege” werden also auch 2011 wieder beschritten.

Auf gutem Weg, aber noch nicht am Ziel

“Neue Wege”: Im Rahmen der Jahrespressekonferenz legten Thomas Metz und Rainer Burelbach positive Zahlen vor

Berichterstattung des Bergsträßer Anzeigers vom 07.01.2011

Konjunktur und demografischem Wandel sei Dank. Deutschlandweit steht das Signal für Jobsuchende am Arbeitsmarkt auf Grün – und der Kreis Bergstraße befindet sich sogar auf der Überholspur.

Es ist keine Metapher, die der Erste Kreisbeigeordnete Thomas Metz und Neue-Wege-Betriebsleiter Rainer Burelbach in den Mund nehmen. Vielmehr schleichen sich sogar leise Töne in die gestern im Rahmen der Jahrespressekonferenz vorgestellt Bilanz. “Wir sind noch weit weg von der Vollbeschäftigung”, sagt Thomas Metz, spricht von einer “gewaltigen Aufgabe”, die 2011 noch vor dem Eigenbetrieb liegt.

In die richtige Richtung
Doch die präsentierten Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Denn auch wenn die Aussichten für Jobsuchende derzeit bundesweit rasant wachsen, der Kreis Bergstraße ist immer noch ein Stück besser. Dabei drängen sich verdächtig oft die Vergleiche “doppelt so gut” oder “halb so schlecht” auf.

So reduzierte sich die Zahl der Hartz IV-Empfänger an der Bergstraße im Jahresvergleich 2009/2010 von 5012 auf 4596 Personen, ein Rückgang um 8,3 Prozent – zum Vergleich: In Hessen lag die relative Verbesserung bei 4,3 Prozent, im Bund bei 4,6 Prozent.

“Wir haben Anfang 2009 vom Kreistag den Auftrag erhalten, dass wir uns besser entwickeln sollen als im hessischen Durchschnitt”, erinnerte Metz und stellte fest, dass das gelungen sei. Denn die Quote der SGB-II-Empfänger verringerte sich von 3,8 Prozent auf 3,5 Prozent an der Bergstraße (minus 7,89 Prozent) und damit deutlich mehr als in Hessen, wo 2009 insgesamt 4,5 Prozent der Menschen Hartz IV empfingen, ein Jahr später immer noch 4,3 Prozent. Hätte der Kreis Bergstraße seinen Abstand zum Land nicht ausgebaut, hätte der Eigenbetrieb in 2010 2,4 Millionen Euro mehr Geld ausgeben müssen.

Das mag in Anbetracht eines Gesamtbudgets von etwa 100 Millionen Euro (85 Prozent fließen direkt in Regelleistungen) nicht viel erscheinen, ist angesichts des engen finanziellen Rahmens, der auch dem Eigenbetrieb gesteckt ist, aber ein wichtiges Signal.

Denn ein Bereich der Fördermaßnahmen, die sich “Neue Wege” auf die Fahne geschrieben hat, wird in Zukunft deutlich ausgebaut werden – und damit auch teurer: Die Rede ist von Qualifizierungsmaßnahmen. Wurden 2009 “nur” 191 Plätze vermittelt, deren vorderstes Ziel die Fortbildung der Arbeitssuchenden und deren Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt war, stieg diese Zahl mit 425 Plätzen in 2010 weiter an; zukünftige Obergrenze nicht in Sicht.

Keine Angebote werden gestrichen
Dennoch muss der Eigenbetrieb trotz teurer Qualifizierungsmaßnahmen nach Angaben von Metz keine Angebote streichen. Verantwortlich macht er dafür die Art und Weise, wie im Haus, das insgesamt 165 Mitarbeiter beschäftigt, gewirtschaftet wird: Es werde hier viel Wert auf Kosteneffizienz gelegt.

Ein wichtiges Arbeitsfeld, auf das sich “Neue Wege” in 2010 konzentriert hat und auch künftig einen Schwerpunkt setzen will, ist der Bereich der Gesundheits- und Sozialberufe.

“Wir werden künftig einen verstärkten Pflegebedarf haben”, prognostiziert Metz, dass es schwer genug werde, allein die Pflegekräfte zu ersetzen, die aus dem Beruf ausscheiden. “Es ist wichtig, dass die Leistungsberechtigten auf uns zukommen und Vorschläge machen”, hofft Burelbach, dass sich viele im Pflege- und Erziehungsbereich aus eigenem Antrieb engagieren wollen. Die Möglichkeiten, sich einzubringen, sind schließlich vielfältig: Gesucht werden Altenpfleger, Erzieher oder Alltagsbegleiter. Auch länger andauernde Ausbildungen zum Beispiel zum Ergotherapeuten oder Logopäden werden in Einzelfällen, wenn die Motivation des Jobsuchenden stimmt, bezahlt.

Rainer Burelbach stellte bei der Pressekonferenz auch die Entwicklung bei den sogenannten Aufstockern vor.

Die Zahl derer, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, aber davon ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, stieg leicht an (von 3474 im Dezember 2009 auf 3513 im Dezember 2010). Verantwortlich dafür sind die selbstständigen Geringverdiener und diejenigen, die zwar mehr als 800 Euro netto zur Verfügung haben, insgesamt aber zusätzlichen Anspruch auf Unterstützung. Gerade bei jenen ist die Hoffnung groß, dass sie künftig ohne Bezüge auskommen.

Erfreulicher Rekord zum Jahreswechsel

Der Eigenbetrieb Neue Wege Kreis Bergstraße vermeldet trotz des starken Wintereinbruchs einen weiteren Rückgang bei allen relevanten Kennzahlen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist gegenüber dem Vormonat um 59 auf 4596 gesunken. Mit 7734 Bedarfsgemeinschaften verzeichnet der Eigenbetrieb Neue Wege wie bei der Zahl der Langzeitarbeitslosen den geringsten Wert im Jahresverlauf. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist erstmals seit Bestehen des Eigenbetriebs Neue Wege unter 11 000, nämlich auf 10 943 gesunken.

Trendwende wegen des Wetters?
Allerdings erwartet der Eigenbetrieb Neue Wege zum Jahresbeginn 2011 eine leicht negative Entwicklung. “Im Januar und Februar 2011 rechnen wir mit einem leichten Anstieg. Das stabile Winterwetter wird wohl zu einem Rückgang der Arbeitskräftenachfrage führen”, berichtet der Kaufmännische Betriebsleiter Stefan Rechmann.

Zahlreiche Änderungen für Leistungsbezieher (Hartz IV) im SGB II

Zum Jahresbeginn treten einige gesetzliche Veränderungen im SGB II (Hartz IV) in Kraft: Das Elterngeld war bisher in Höhe von 300,— Euro monatlich anrechnungsfrei, zukünftig ist es vollständig als Einkommen zu berücksichtigen. Ein Freibetrag bis zu 300,— Euro besteht dann noch, wenn die Eltern vor der Geburt ihres Kindes erwerbstätig waren.
Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entfällt. Stattdessen werden die Zeiten des Leistungsbezuges unter bestimmten Voraussetzungen als Anrechnungszeiten an die Rentenversicherung gemeldet.
Entsprechend wird auch der Zuschuss zu den Beträgen zur Rentenversicherung nicht mehr gezahlt. Dies betrifft Leistungsberechtigte, die vor Bezug der Grundsicherungsleistung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit waren. Dies betrifft größtenteils Selbstständige.
Der befristete Zuschlag zum Arbeitslosengeld II ist gestrichen. Bisher bestand nach dem Ende des Bezuges von Arbeitslosengeld I für eine Übergangszeit von zwei Jahren monatlich ein Zuschlag zum Arbeitslosengeld II. Dieser betrug im ersten Jahr höchstens 160,— Euro, im zweiten Jahr 80,— Euro.

Die Bundesregierung beabsichtigt die Einführung von Leistungen für Kinder für Bildung und Teilhabe. Zurzeit wird darüber im Vermittlungsausschuss beraten, es bestehen noch keine gesetzlichen Regelungen.
Über weitere Änderungen werden wir informieren.